Anders!


[ Antworten sind nicht mehr möglich! ] [ Forum www.oldhippie.de 2003 bis 2006 ]

Abgeschickt von Sonya am 07 Juli, 2003 um 23:19:32

Mut zum Anderssein ist in dem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, eine Schande. Die Leute in diesem Dorf kauen nur das wieder, was andere ihnen erzahlt haben, ohne es selbst zu reflektieren. Wenn man andere Klamotten anzieht als die anderen, ist nam schon suspekt. WEnn man anders denkt als die Mehrheit und dann auch noch die Frechheit besitzt, das offen zu sagen, ist man eine Ausgestossene, ziemlich schnell. Das habe ich am eigenen Leib erfahren wahrend meiner Teenagerjahre. Ich war mit einem Jugoslawen zusammen und wurde sofort als Auslanderflittchen verschrien. Ich habe nie auf meinen Ruf geachtet, sondern getan, was ich fuer richtig hielt. Ich habe einen hohen Preis fuer meine Andersartigkeit bezahlt. Die Freundinnen, die ich im Dorf hatte, durften nicht mehr mit mir zusammensein usw. Aber ich habe mich nicht verbiegen lassen, weder von meinen Eltern noch von irgendwem. Auch nicht, als man mir von allen Seiten sagte, dass ich schlecht bin. Ich habe nicht den Kopf gesenkt, wenn ich auf die Strasse gegangen bin, wie es die Tratschtanten des Dorfes von mir erwarteten, weil ich in ihren Augen Schande uber meine Eltern gebracht habe. Ich lebe wieder in diesem Dorf, bei meinen Eltern. Nicht weil ich es will, sondern weil ich momentan nicht genug Geld habe. Ich bin dort eine Art Einsiedlerin, obwohl mit dem Jugoslawen langst Schluss ist. Man misstraut mir, weil ich meine Andersartigkeit nicht verborgen habe und mich nicht dem allgemeinem Moralkodex gebeugt habe. Aber das macht nichts, denn mittlerweile habe ich Leute gefunden, die so sind wie ich. Die selber denken. Freunde, in deren Gesellschaft ich mich nicht verstellen muss, um angenommen zu werden. Und einen sehr lieben Freund, der mich unterstutzt, wo er nur kann. Naturlich nicht in unserem Dorf. Kein Mann dort wurde mich anruhren, geschweige denn, heiraten, denn durch die Ehe mit einem Auslander bin ich fur immer stigmatisiert. Weit weg von dem Ort, den meine Eltern irrtumlicherweise als meine Heimat bezeichnen, habe ich meine wahre Heimat gefunden, den Ort, wo meine Seele zuhause ist, und wo mein Anderssein nicht als ein Fehler angesehen wird, sondern als Bereicherung, fur meine Beziehug und meine Clique. Meine neue Heimat ist die Insel Texel. Und hier fuhle ich mich angenommen. So sehr, dass ich bald hier wohnen werde. Zusammen mit meinem Freund und meiner Tochter. Ich will nicht, dass sie in der gleichen moralischen Enge aufwachst wie ich.
Obwohl es sich seltsam anhort, aber wir nehmen keine Drogen in unserer Clique. Der Vater meines Freundes ist ein richtiger OLD HIPPIE,war in seiner Jugend in Goa und kifft immer noch. Ich weiss nicht, ob ich mich selbst als Hippie bezeichnen kann. Ich hatte gerne damals gelebt, dann ware ich bestimmt einer gewesen. Aber die Leute in meinem Alter diskutieren nicht mehr, sie haben sich fur den Konsum entschieden. Sie betauben ihre elementaren Bedurfnisse, wie etwa die Wahrheit zu finden mit Markenklamotten und anderen Luxusgutern. Sie wollen IN sein, egal um welchen Preis und halten deshalb still, mucken nicht auf, nicht gegen ihre Eltern und nicht gegen ihre Lehrherren und Arbeitgeber, denn sie brauchen das Geld, was sie verdienen, fur ihr gekauftes Gluck. Im gewissen Sinne sind sie konservativer als die 68-Generation.


Antworten:



Ihre Antwort

Name:
E-Mail:

Subject:

Text:

Optionale URL:
Link Titel:
Optionale Bild-URL:


[ Antworten sind nicht mehr möglich! ] [ Forum www.oldhippie.de 2003 bis 2006 ]